Entzug der Staatsbürgerschaft wegen „Militär-Schulkurs“

The German authorities' arbitrary handling of Section 28 of the Citizenship Act

Lang & Rahmann betreut aktuell Verfahren vor dem Bundesverwaltungsamt Köln sowie dem Verwaltungsgericht Berlin, in denen doppelten Staatsbürgern die deutsche Staatsbürgerschaft aufgrund eines vermeintlich freiwilligen Eintritts in fremde Streitmächte entzogen wurde.

In den von uns beratenen Fällen fußt die Behörde ihre Entscheidung auf die alte Fassung des § 28 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG). Nach dieser Norm verliert ein Deutscher, der aufgrund freiwilliger Verpflichtung ohne Zustimmung des Verteidigungsministeriums in die Streitkräfte oder einen vergleichbaren bewaffneten Verbund eines ausländischen Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, eintritt, kraft Gesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit.

Die Regelung des § 28 StAG mag da sinnvoll und berechtigt sein, wo mit dem Beitritt in fremde Streitmächte bzw. sogar zu einem terroristischen Verbund die eigenverantwortliche Abkehr von der Bundesrepublik Deutschland und ihren konstitutiven Werten zum Ausdruck gebracht wird. 

Seit kurzem hat sich allerdings, ohne gesonderte Ankündigung, die Verwaltungspraxis geändert und nun trifft der Entzug der Staatsangehörigkeithäufen auch Personen, die bisher nicht betroffen waren.

Interessanterweise stellt die Ableistung einer gewöhnlichen Wehrpflicht nach einhelliger Ansicht keinen freiwilligen Eintritt iSd § 28 StAG dar, sodass sich daraus kein Verlust der Staatsbürgerschaft ergibt. Ergreift man nun aber Maßnahmen, um bereits Ersatzdienst für die weitaus zeitaufwändigere und gravierende Wehrpflicht zu leisten, sehen die deutschen Behörden darin offenbar Anlass genug, dies mit dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit zu sanktionieren. 

 

Sieht man einmal davon ab, dass gerade kein freiwilliger Eintritt in fremde Streitkräfte vorliegt, verstößt das Handeln der Behörde gegen die Selbstbindung der Verwaltung und verletzt überdies auch Unionsrecht:

Wehrerziehungsprogramme stellen nämlich keineswegs eine Neuheit dar und werden seit Jahren von deutschen Doppelstaatlern genutzt. Dies war den deutschen Behörden auch bekannt, ohne dass es jemals zum reihenweisen Entzug von Staatsangehörigkeiten gekommen wäre. Seit Januar 2022 haben die Behörden dann ihre Linie um 180 Grad gewendet und gehen seitdem in solchen Fällen vom Verlust der Staatsbürgerschaft aus. Eine Kundgabe dieser völlig überraschenden Änderung der Verwaltungspraxis gab es nie.

Ferner verleiht Art. 20 AEUV Staatsbürgern eines EU-Mitgliedsstaates gleichzeitig die „Unionsbürgerschaft“, die mit dem Entzug der Staatsbürgerschaft des EU-Mitgliedes ebenfalls verloren geht. Soll die Unionsbürgerschaft entzogen werden, entspricht es unionsrechtlichen Vorgaben und ständiger Rechtsprechung des EuGH, den Sachverhalt stets einer sorgfältigen, einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen, in der es unter anderem zu berücksichtigen gilt, wie es um die Situation des Betroffenen im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Staatsangehörigkeit innerhalb der Familie bestellt ist und welche Auswirkungen der Entzug auf die (geplante) familiäre und berufliche Zukunft haben kann.

Da der Entzug der Staatsbürgerschaft nach § 28 StAG kraft Gesetzes erfolgt und bloß festgestellt wird, findet eine solche erforderliche Verhältnismäßigkeitsprüfung in Deutschland nicht statt, womit ein Entzug nach dieser Vorschrift unionsrechtlichen Maßstäben nicht genügen kann.