Zur Reform des Stiftungszivilrechts – Eine Betrachtung

Zur Reform des Stiftungszivilrechts – Eine Betrachtung

Autor Marcel Werner

Regierungsentwurf zur Reform des Stiftungszivilrechts

Es geht vorwärts mit der Realisierung der Reform des Stiftungszivilrechts. Nach langem Warten liegt seit Februar 2021, drei Monate nach dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums, nun der Regierungsentwurf zur Reform des Stiftungszivilrechts vor. Damit ist der Regierungsentwurf der vorläufige Höhepunkt eines seit über sechs Jahren andauernden Projekts. Noch in dieser Legislatur möchte die Bundesregierung ein entsprechendes Gesetz verabschieden. Im Folgenden möchte dieser Beitrag einen kurzen Überblick über den aktuellen Status der Reformbestrebung geben und einige Änderungen skizzieren.

Durch die Neufassung der §§ 80 ff. BGB soll das bisher nur rudimentär geregelte Rechtsgebiet künftig abschließend und umfassender im Bürgerlichen Gesetzbuch kodifiziert werden. Der Regelungsumfang vervierfacht sich von neun auf 36 Paragrafen. Neben den Vorschriften des BGB normieren die Länder in ihren jeweiligen Landesstiftungsgesetzen eigene weiterführende Vorschriften. Diese sind nicht einheitlich und werden oftmals verschieden ausgelegt, weil sich in jedem Bundesland aufgrund des jeweiligen Landesrechts, eine eigene Stiftungspraxis entwickelt hat. Diese Koexistenz von Bundes- und Landesrecht führt regelmäßig zu Rechtsunsicherheiten sowohl bei Stiftungen als auch in der Rechtsberatung.  

Auf dem Weg zu einem bundeseinheitlicheren Stiftungsrecht

Der vorgelegte Entwurf wird insbesondere von jenen befürwortet, die seit langem für ein bundeseinheitliches Stiftungsrecht plädieren und sich dadurch eine einheitliche Rechts- und Beratungspraxis erhoffen. Der Regierungsentwurf beinhaltet neue Regelungen insbesondere zum Namen, Sitz und Vermögen der Stiftung sowie zur Änderung der Stiftungssatzung und zur Zusammenlegung von Stiftungen. Daneben widmet er sich aber auch Business Judgement Rules und der Etablierung eines zentralen Stiftungsregisters mit Publizitätswirkung, das vom Bundesamt der Justiz geführt werden und für mehr Transparenz sorgen soll.

Das Stiftungsregister

Für Stiftungen gab es bisher, anders als für die meisten anderen juristischen Personen des Privatrechts, kein Register mit Publizitätswirkung, sondern nur Stiftungsverzeichnisse, die bei den Stiftungsbehörden geführt wurden. Die Stiftungsverzeichnisse der Länder, die keine Publizitätswirkung haben, schaffen jedoch nicht die gleiche Transparenz für Stiftungen, wie sie durch das Handelsregister und das Vereinsregister für andere juristische Personen des Privatrechts gewährleistet ist. Ein zentrales Stiftungsregister wird in der Praxis hilfreich sein, da den Vertretern der Stiftungen bei der alltäglichen Arbeit, der erleichterte Nachweis einer Vertretungsberechtigung zugutekommen wird.

Der Stifterwille

Die zentrale Bedeutung des Stifterwillens spiegelt sich nun auch an zentraler Stelle des Entwurfs wider: Der neu gefasste § 83 Abs. 2 regelt, dass die Stiftungsorgane bei ihrer Tätigkeit für die Stiftung und die Stiftungsaufsicht, den bei der Errichtung der Stiftung zum Ausdruck gekommenen Willen des Stifters, hilfsweise dessen mutmaßlichen Willen, zu beachten haben. Neben der Verfassung der Stiftung bestimmt also der Wille des Stifters das Stiftungsgeschäft. Der bisherige § 85 BGB erfährt mithin eine begrüßenswerte Erweiterung. Zwar galt der Stifterwille auch bisher als maßgebend, dass die Regelung nun aber Niederschlag im Gesetz finden wird, dürfte für Rechtsklarheit sorgen.

Der Stifterwille als Primat des Stiftungsrechts. Im alltäglichen Gebrauch ist der Stifterwille die oberste Richtschnur jeglichen Stiftungshandelns und bindet die Stiftungsorgane als Vollstrecker des Stifterwillens genauso wie die Stiftungsbehörden bei jeder Entscheidung. Jeder der sich in der Praxis mit Stiftungen und ihren Satzungen beschäftigt weiß aber auch, dass der historische Stifterwille in der alltäglichen Handhabung oftmals nicht mehr zeitgemäß erscheint oder gewisse Konstellationen nicht abbilden kann, da in einer sich stetig verändernden Welt gewisse Entscheidungen schlicht nicht vorhersehbar waren. Damit die Stiftung die Zeiten überdauert, benötigt sie eine gewisse Flexibilität. Der Referentenentwurf war diesbezüglich wenig flexibel: Es sollte nur der historische, nicht mehr der mutmaßliche Stifterwille gelten.

Dies kann bisweilen dazu führen, dass Stiftungen weniger dynamisch auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen reagieren können. Der Regierungsentwurf berücksichtigt diese Problematik nun und erlaubt deshalb, auf den mutmaßlichen Stifterwillen abzustellen. Die Organe der Stiftung müssen sich mithin fragen, wie der Stifter wohl gehandelt hätte bzw. wie er auf bestimmte Entwicklungen reagiert haben würde, sofern er diese vorausgesehen hätte.  Zur Rate zu ziehen sind dabei auch Unterlagen aus der Gründungsphase der Stiftung, z.B. der Bericht der Testamentsvollstrecker oder andere Gründungsdokumente.

Satzungsänderungen

Der neue § 85 regelt abschließend und umfangreich die Voraussetzungen für die Änderungen der Stiftungsverfassung durch Satzungsänderung und ersetzt damit den bisherigen § 87 BGB. Durch die nunmehr einheitliche Regelung besteht nicht mehr die Notwendigkeit auf die unterschiedlichen Regelungen der Länder zurückgreifen zu müssen.

Die Vorschrift ermöglicht Änderungen der Stiftungsverfassung durch Satzungsänderung, die an unterschiedliche Voraussetzungen gebunden werden. Dabei sind die Voraussetzungen für Satzungsänderungen umso strenger, je stärker diese in die Stiftungsverfassung eingreifen und damit die Stiftung in ihrem Kern verändern.

Nach § 85 Absatz 1 und 2 BGB des Entwurfs sind auch Änderungen des in der Satzung festgelegten Stiftungszwecks möglich, also dem obersten Leitsatz der Stiftungstätigkeit überhaupt, der sozusagen als Kompass für die gesamte Stiftungstätigkeit fungiert. Die Änderung der Satzung kann insbesondere dann notwendig sein, wenn sich die alltägliche Arbeit der Stiftung aufgrund ihrer Vermögenssituation oder anderer Rahmenbedingungen verändert, beispielsweise weil Fördertätigkeiten nicht mehr zeitgemäß erscheinen oder sich die realen Umstände geändert haben.

Bei jeder Satzungsänderung ist der Stifterwille zu beachten. Die Satzungsänderung darf nicht dessen Willen konterkarieren. Diese Dynamik ermöglich es Stiftungen, bei Erhaltung ihres Wesenskerns, neue Aufgabengebiete zu erschließen und dynamisch auf neue Entwicklungen in der Gesellschaft zu reagieren. Die Normierung der Voraussetzungen schafft dabei Klarheit und gibt einen bundeseinheitlichen Leitfaden an die Hand, unter welchen Umständen eine Änderung der Stiftungsverfassung möglich erscheint.

Ausblick

Auf der anderen Seite gibt es aber auch zahlreiche Kritiker aus Wissenschaft und Praxis, denen die Reformen nicht weit genug gehen. So wird kritisiert, dass die Reform die Ewigkeitsstiftung als das Ideal ansähe, jedoch gerade in wirtschaftlich turbulenten Zeiten, z.B. aufgrund der Niedrigzinsphase, nur die großen Stiftungen ihre Zwecke nachhaltig und dauerhaft verfolgen könnten, die Anreize für eine Stiftungsneugründung mithin weniger attraktiv seien und das Stiftungsrecht lediglich unnötig aufgebläht werden würde. Ebenso äußern Kritiker, dass die Hürden der Satzungsänderungen zu hoch seien. Lebenden Stiftern sei es beinahe unmöglich, aufgrund neu gewonnener Erfahrungen und Erkenntnisse ihre Satzung nach Gründung umzustrukturieren.

Grundsätzlich ist die notwendige und überfällige Reform begrüßenswert, da sie mehr Rechtssicherheit durch bundeseinheitliche Regelungen verspricht. Indem sie bisherige in den Ländergesetzen geregelte Inhalte abschließend im Bürgerlichen Gesetzbuch normiert, werden den Aufsichtsbehörden und der Beratungspraxis einheitliche Regelungen mit an die Hand gegeben. Ob die Reform die gewünschten Effekte erzielen vermag, bleibt abzuwarten.

Dass nach über sechs Jahren aber nun endlich absehbar ein Reformgesetz verabschiedet wird, dürfte dennoch all jene erfreuen, die sich täglich mit dem Stiftungsrecht beschäftigen.